Alphabet der Heimatkunde

Bild

Startseite


Inhaltsverzeichnis:

Anfang

Einführung

Vor undenklichen Zeiten

Und so hat es wohl begonnen

Erze und Metalle zur Frühzeit

Die Zeit der Kupfermeister

Kurzübersicht Frühindustrialisierung

Das Rösten der Erze

Die Zinkindustrie

Technische Entwicklungen in der Stolberger Zinkindustrie

Sodaherstellung und Chemische Fabrik Rhenania

Menschen, Technik und Sozialgefüge

Literatur- und Quellenverzeichnis

 

Startseite Graphiken Kaleidoskop Touristisches

Erze und Metalle zur Frühzeit

Zweifelsfrei für unseren Raum belegt ist der Bergbau zu römischer Zeit. Eine Vielzahl von Bodenfunden lässt höchstens noch Zweifel offen, welche Erztypen hier zur damaligen Zeit gefördert und verarbeitet worden sind.

Insbesondere wenn man sich nun bezüglich einer noch früheren Nutzung der hier anstehenden Erzmittel Gedanken macht, muss man sicherlich zwischen den einzelnen Erzarten differenzieren. Es ist zunächst einmal sofort einsichtig, dass alle Erze, die für eine frühe Nutzung in Frage kamen, der Oxydationszone entstammen mussten, dem oberflächennahen Bereich also, in welchem die ursprünglichen Primärerze weitestgehend umgebildet waren. Ein weiterer Ansatzpunkt ergibt sich, wenn man die in unserem Raum anstehenden Erze nach ihrem Metallgehalt differenziert, nämlich nach Eisen, Blei und Zink.

Die drei Unzertrennlichen
Drei Metalle waren es also, die in den unterschiedlichen Erzarten vorkamen und die Nennung dieser drei Metalle ist durchaus nicht nur als Aufzählung zu verstehen. Nein, die Erze dieser drei Metalle sind auf Grund gleicher Bildungsmechanismen und unter gleichen Bildungsbedingungen entstanden, sie gehören also zusammen und treten in den Lagerstätten gemeinsam und nebeneinander auf; ein Umstand, der mit dem Begriff Paragenese umschrieben wird. Wenn auch an einzelnen Fundpunkten eine bestimmte Erzart überwiegen mag, die beiden anderen Vertreter der Drillingsgruppe sind, wenn auch im Einzelfall manchmal stark untergeordnet, ebenfalls immer auch vorhanden, was für unsere Betrachtungen von Bedeutung sein wird.

Eisenerz lag in der Oxydationszone vorwiegend in Form des Limonits oder des Brauneisensteins vor, der leicht, einfach und mit einer Technik zu verhütten war, die schon sehr früh angewandt und beherrscht wurde.

Ganz ähnlich lagen die Verhältnisse bei den anstehenden Bleierzen. Auch sie konnten mit den recht früh bekannten Verhüttungstechnologien erschmolzen werden. Dies galt sowohl für die Sekundärformen (umgewandelter Bleiglanz: Cerrusit z.B.) als auch für den primär entstandenen Bleiglanz selbst, der auch im oberflächennahen Bereich noch recht dominant war. Während man über die Bedeutung des Eisens auch für die frühgeschichtliche Zeit eigentlich kaum Worte verlieren muss, könnte es sicherlich nicht schaden, hier bereits etwas über die Verwendung des Bleis zu sagen. Blei wurde hauptsächlich gebraucht zur Herstellung von Figuren, Urnen, Schiffsanker (Gewichtsanker), Druckrohre für Wasserleitungssysteme und zum Vergießen von eisernen Mauerankern aller Art, die u.a. auch dazu dienten, größere Steinblöcke innerhalb eines Bauwerkes miteinander zu verbinden.

Der dritte im Bunde, nämlich die Gruppe der Zinkerze hat sich einer Nutzung durch den Menschen aus bestimmten technologischen Gründen wohl am längsten verweigert. Und diese Geschichte, eine Geschichte um angewandte "HighTech" längst vergangener Zeiten sozusagen, hat sicherlich eine Sonderbehandlung verdient.

Kelten und Erze
Zunächst jedoch kommen wir nochmals zurück zu den deutlich einfacher zu verhüttenden Eisen- bzw. Bleierzen und vielleicht vergegenwärtigen wir uns fernerhin, dass unsere Region vor dem Erscheinen der Römer von keltischen Volksstämmen bewohnt war. Von den Kelten nun wiederum ist bekannt, dass sie ein bergkundiges Volk gewesen sind und bezüglich des Auffindens, des Abbaus und der Verhüttung von Erzen Kenntnisse besaßen, die dem damaligen Stand der Technik durchaus entsprachen. Man kann sich nun eigentlich kaum vorstellen, dass diese Kelten unsere Region besiedelt, bewirtschaftet und dauerhaft bewohnt haben sollen, ohne die wie auf einem Präsentierteller dargebotenen Erze bemerkt zu haben; hoch begehrte Bodenschätze, aus denen sich allerlei nützliches Gerät herstellen ließ, die sich frei, offen und unverdeckt an der Erdoberfläche zeigten, die unmittelbar an den Verkehrswegen lagen, so dass man beinahe darüber stolpern musste und die zudem noch von einer ganz typischen, unübersehbaren Pflanzengesellschaft angezeigt wurden. Damit wir uns recht verstehen, keltischer Bergbau ist für die Stolberger Region nicht eindeutig nachgewiesen, aber aus den oben genannten Gründen eben sehr wahrscheinlich.

In der Tat geht Schwickerath, M.(1954) noch einen Schritt weiter und rückt die Ausnutzung der metallischen Bodenschätze in den Rang eines siedlungsschaffenden Faktors. Daraus würde man nun wiederum schließen müssen, dass eine Nutzung der Erzvorkommen schon sehr früh eingesetzt hat und schon seit Beginn der Keltenzeit von entwicklungsbestimmendem Charakter gewesen ist. Voigt,A.(1956) stellt aus Gründen mangelnder Beweise keltischen Bergbau in unserer Region überhaupt in Frage, obschon er diesem Volksstamm den Status des auf diesem Gebiet führenden Volkes im Venn- Eifelraum zubilligt.

Da es nun in keiner Weise einer Anschuldigung gleichkommt, wenn man den Kelten bergbauliche Aktivitäten unterstellt, muss der Grundsatz 'im Zweifelsfall für den Angeklagten' hier nicht unbedingt gelten und somit gehen wir getrost zunächst einmal von der Möglichkeit einer keltischen Nutzung aus (als Arbeitshypothese sozusagen), wobei wir nicht Beweise, wohl aber eine hohe Wahrscheinlichkeit für unsere Annahme in Anspruch nehmen können.

Diese Annahme bezieht sich zunächst einmal nur auf die Nutzung der Eisen- und Bleierze. Wie bereits erwähnt, waren die Verhältnisse bei den Zinkerzen deutlich komplizierter. Zu dieser Erzgruppe gehört die primär gebildete Zinkblende und weiterhin der durch Zersetzung entstandene Galmei. Aus zwei Gründen war zur damaligen Zeit nur die Verwendung des sekundär gebildeten Galmeis möglich. Der erste dieser Gründe resultierte aus den Lagerstättenverhältnissen: Die ursprünglich entstandene Zinkblende wurde, wie bereits bekannt, durch Verwitterungs- (Oxydations-) Erscheinungen in Galmei umgewandelt, wobei dieser Zersetzungsvorgang logischerweise von der Oberfläche ausgehen musste. Somit wurde die Zinkblende bis zu Tiefen von 80 -100 m nahezu vollständig durch Galmei verdrängt bzw. ersetzt, sie lag daher weit unterhalb des Grundwasserspiegels und war demzufolge für die frühen Bergleute nicht erreichbar.

Der zweite Grund für die im Bereich der Zinkerzgruppe ausschließliche Verwendung des Galmeis war technologischer Natur. Die chemische Zusammensetzung der Zinkblende, die daraus resultierenden Verarbeitungseigenschaften und das Verhalten der Zinkbestandteile ließen eine Nutzung dieses Erztypes nicht zu. Das Problem der Blendeverhüttung wurde erst sehr viel später, nämlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts überhaupt gelöst und war eigentlich erst um 1850 technisch beherrschbar. Vermutet hatte man schon sehr lange, dass es sich bei der Zinkblende wohl ebenfalls um ein Erz handeln könne, denn es musste dem Bergmann auf Grund seines Gewichtes und seines halbmetallischen Glanzes wie ein nutzbares Fördererz vorkommen. Da es sich jedoch jedem Verhüttungsversuch hartnäckig widersetzte, ging irgendwann das böse Wort von der 'Blende' um, das sich auf blenden beziehen soll, blenden im Sinne von Vorspiegelung falscher Tatsachen, arglistiger Täuschung oder betrügerischer Hochstapelei. Selbst der wissenschaftliche, aus dem griechischen stammende Name 'Sphalerit' nimmt Bezug auf diesen Zusammenhang.

Wenn wir jetzt zurückkommen auf unser Galmeierz, so muss uns die hervorragende Abbaufreundlichkeit der lokalen Lagerstätten eigentlich in allen Aspekten klar werden. Sie waren nicht nur verkehrstechnisch günstig gelegen, traten nicht nur im Bereich gelockerter, relativ leicht zugänglicher Störungszonen auf, sondern waren zudem von ihrer Schichtung her so angelegt, dass der damals nutzbare Erztyp genau dort lag, wo der Abbau am einfachsten oder überhaupt möglich war: an bzw. kurz unterhalb der Oberfläche.

Skizze
Skizze: F. Holtz

Es gab allerdings bezüglich des Galmeis noch eine Schwierigkeit, die bereits kurz angesprochen wurde: Der im Galmei vorhandene Metallgehalt, nämlich Zink, ließ sich nicht wie bei anderen Erzen als Metall ausschmelzen, was einer Nutzung in frühgeschichtlicher Zeit natürlich entgegenstand.

Zementieren einmal anders
Nun wird man sicherlich jetzt fragen können, wozu denn wohl ein Erz von Nutzen gewesen sein könnte, dessen Metallgehalt sich nicht ausschmelzen ließ. Es erscheint heute - im Gegensatz vielleicht zu damals - recht einfach, der Zinkgehalt des Galmeis war nur über einen Umweg zugänglich, über den technologischen Umweg der Herstellung einer Legierung (Mischung aus zwei oder mehr Metallen), wobei das Zink als Reinmetall überhaupt nicht in Erscheinung trat. Das damals übliche und einzig mögliche Verfahren beruhte darauf, dass man unter Einwirkung hoher Temperaturen und bei (sauerstoff-) reduzierender Atmosphäre die Zinkbestandteile freisetzte und man gleichzeitig dafür sorgte, dass die als Tröpfchen und Gase freiwerdenden Zinkmengen im Schmelztiegel gebunden wurden, da ansonsten nämlich unter Einwirkung des Luftsauerstoffes Zinkoxyd entstanden wäre.

Während die reduzierende Atmosphäre durch Zugabe von gemahlener Holzkohle erreicht wurde, sorgte die Anwesenheit von Stückkupfer im Schmelztiegel für eine sofortige Bindung des Zinks. Diese Bindung ergab sich dadurch, dass die Kupferstücke vom Zink angelöst wurden und somit eine Legierung der beiden Metalle Kupfer und Zink, also Messing entstand. Bezüglich des eingesetzten Kupfers ist dieses Verfahren weniger als Schmelzvorgang, sondern vielmehr als Lösungsprozess anzusehen, da sich die eigentliche Legierungsbildung am festen - und eben nicht am flüssigen - Kupfer vollzieht. Derartige Vorgänge werden in der Metallurgie mit Zementation bezeichnet.

Bild
Skizze: F. Holtz

Dieses Verfahren, bei dem sich einer der beiden Legierungskomponenten jeglicher Anschauung entzog, hat dann auch prompt zu einiger Irritation geführt. Noch bis weit in die Neuzeit hinein wurde das "Brennen" von Messing nicht als Legierungsprozess erkannt, sondern Galmei wurde als eine Art Farbstoff angesehen, der dem Kupfer eine goldgelbe Farbe gab. Konsequenterweise bezeichnete man Messing daher als gelbes Kupfer. Die Nachwirkungen dieser Irritationen sind auch heute noch evident, denn unser Stolberg müsste eigentlich nicht den Namen "Kupfer"- sondern Messingstadt tragen. Aber diesen in der Tradition verhafteten Begriff wird man wohl akzeptieren müssen, wenngleich er die wirklichen Zusammenhänge recht unbefriedigend beschreibt. Eine Umgewöhnung von Kupferstadt auf Messingstadt wäre ja vielleicht noch vorstellbar, aber die Begriffe "Messingmeister" oder "Messinghof" würden für jeden Stolberger ganz einfach ein phonetisches Unding sein.

Unabhängig davon, ob nun das Messing von den Kupfermeistern oder sehr viel früher von den Römern gebrannt wurde, es bleibt noch die Frage zu beantworten, warum die Legierung Messing so sehr begehrt war, ganz offensichtlich jedenfalls sehr viel begehrter als das Reinmetall Kupfer. Der Grund hierfür war zunächst technologischer Natur: Die Messinglegierung nämlich lieferte eine sehr viel dünnflüssigere Schmelze und erlaubte im Gegensatz zum Reinmetall einen blasenfreien Guß. Man könnte fernerhin vermuten, dass die Nachfrage nach Messinggegenständen durch die goldähnliche Farbe im Sinne einer Modeerscheinung stimuliert wurde.

Messing zur Römerzeit
Ob das technologisch doch schon recht aufwendige Verfahren des Messingbrennens bereits den Kelten bekannt war, kann durchaus bezweifelt werden. Die Römer jedenfalls - und das steht außer Frage - haben dieses Verfahren des Zementierens beherrscht und wohl auch im damaligen Germanien angewandt, was sich schon aus der geographischen Fundortverteilung römischer Messinggegenstände ergibt.

Ein wichtiger Hinweis wird allerdings auch von Plinius gegeben, wenn er als Zeitzeuge in seiner 'naturalis historia' berichtet, Galmei sei dem Vernehmen nach kürzlich auch in der Provinz Germanien gefunden worden (...ferunt nuper etiam in Germania provincia repertum). Somit steht zunächst fest, dass die Römer schon kurz nach der Zeitenwende auch in Germanien Galmei abgebaut haben. Leider gibt Plinius weder an, wo genau im damaligen Germanien dieser Galmei gefördert wurde, noch macht er Angaben über den Herstellort des Messings.

Bezüglich des Herstellortes lässt sich nun wiederum sagen, dass dieser sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Nähe der Galmeilagerstätten befunden haben muss, da bei den üblichen Zinkgehalten des römischen Messings die erforderlichen Gewichtsanteile für Kupfer und Galmei in etwa gleich groß waren, Stückkupfer sich jedoch erheblich einfacher transportieren ließ. Das wird insbesondere dann einsichtig, wenn man die unterschiedlichen Galmeisorten und deren Verarbeitbarkeit etwas näher betrachtet. Aus fertigungstechnischen Gründen wird man in der Frühzeit nur den extrem oberflächennahen Galmei verwendet haben, da dieser zu erdigen Massen (Mulm) verwittert war und als Einsatzstoff für die Messingherstellung einerseits fast ungemahlen Verwendung finden konnte, sich andererseits jedoch für den Transport weniger eignete. Das später verwendete Galmeierz bestand aus festen, steinigen Aggregaten, die vor ihrem Einsatz als Zuschlagstoff mit beträchtlichem Energieaufwand gemahlen werden mussten.

Die Hemmoorer Eimer
Es erscheint offensichtlich auch nicht abwegig, die frühen Messinggegenstände unter dem heutigen Begriff des 'gehobenen Bedarfs' einzuordnen. Dies klingt auch bei Werner, J.(1936) an, wenn dort davon gesprochen wird, dass Messinggerät, zusammen mit anderen Wertmetallen, häufig Teil von so genannten Verwahrfunden gewesen sind. Depots dieser Art, die einen guten Querschnitt über damals gebräuchliche Gerätschaften und Wertgegenstände repräsentieren, wurden von der römischen Provinzialbevölkerung angelegt, die dem Ansturm der germanischen Volksstämme weichen mussten. Ebenso weist Werner darauf hin, dass Messingwaren und insbesondere Hemmoorer Eimer zum Hausrat wohlhabender Familien gehörten.

Bei diesen Hemmoorer Eimern handelt es sich um gegossene, recht dünnwandige Töpfe, die aus einer Messinglegierung bestehen und deren geographisches Verbreitungsgebiet sich von Skandinavien bis zum Donauraum erstreckte. Erscheinungsbild und technisch- handwerkliche Ausführung dieser Gefäße lassen auf einen hohen Entwicklungsstand der Messingfertigung schließen, und auf Grund der einheitlichen Erscheinungsform sowie Qualität wird allgemein angenommen, dass die gefundenen Exemplare dieses Gefäßtypes allesamt der gleichen Herkunftsregion entstammen dürften und dort in räumlich eng beieinandergelegenen Werkstätten gefertigt wurden. Die auffällige Dünnwandigkeit beweist sehr eindrucksvoll, dass man das technologische Potential der dünnflüssigen Messingschmelze perfekt zu nutzen wusste.

Häufig sind die Gefäße am oberen Rand mit einem umlaufenden, kunstvoll ausgeschmückten Relief-Fries versehen. Im Bereich dieser Bilderfriese sind teilweise reiche Silbertauschierungen (eingehämmertes Silber) und Emaileinlagen angebracht worden, was den Wert dieser Gefäße natürlich steigerte.

Bild
Bild
Bild
Hemmoorer Eimer,
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover

Die auffällige Ähnlichkeit von Form und Ausführung aller gefundenen Exemplare muss bei der ungewöhnlich weiten räumlichen Verteilung der unterschiedlichen Fundpunkte in der Tat überraschen und ist nur unter Annahme einer zentralen Fertigung vernünftig erklärbar. Berücksichtigt man fernerhin die Komplexität des Herstellverfahrens, so dürfte sich auf Grund der erforderlichen Kenntnisse bzw. Erfahrungen durchaus auch ein Zwang zur Konzentration der Messingfertigung ergeben haben. Im Vergleich zu den Messingeimern sind die aus der gleichen Zeitepoche stammenden Bronzeeimer sehr viel weniger einheitlich und gleichförmig, so dass man einen weit lockereren Zusammenhang zwischen den ausführenden Werkstätten annehmen muss, was zwangsläufigerweise auf eine großräumigere Verteilung der an der Herstellung beteiligten Werkstätten schließen lässt.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass

Nur vor diesem Hintergrund sollte man eigentlich die Frage stellen, ob unsere lokalen Erzlagerstätten auch bezüglich des zweifelsfrei vorhandenen Galmeis genutzt worden sind. Zwar ist römischer Bergbau - namentlich für den Bereich Breinig, Mausbach, Gressenich - erwiesen, aber ob nun wirklich auch Galmei abgebaut wurde, lässt sich mit letzter Sicherheit nicht sagen. Hier spielt uns die bereits erwähnte Paragenese einen Streich, denn Galmei kam eigentlich immer nur zusammen mit den beiden anderen Erzarten vor, und es ist nachträglich nicht mehr feststellbar, welche Erzarten in den frühen Epochen gefördert wurden. Eventuell verschmähte Erztypen, deren relative Anreicherung im Abraum Aufschluss geben könnten, wären - wenn überhaupt jemals vorhanden gewesen - natürlich längst zur willkommenen Beute späterer Abbauepochen geworden.

Zweifelsfrei belegt ist er also nicht, der römische Galmeiabbau in unserer Gegend, ebensowenig wie die häufig vertretene These, dass die Herkunftsregion der Hemmoorer Eimer hier bei uns zu suchen ist. Und in der Tat wird der Galmeiabbau zu römischer Zeit in der Literatur hin und wieder in Frage gestellt, meist mit dem Argument, dass er eben nicht erwiesen sei. Aber was hätte die Römer denn eigentlich veranlassen können, das Galmeierz zu verschmähen, ein Erz,

Nein, auch wenn direkte, objektive Beweise nicht vorliegen, die Römer werden den Galmei wohl selbstverständlich genutzt haben, der ihnen entweder beim Schürfen anderer Erze wie ein Geschenk des Himmels in den Schoß fiel, oder den sie möglicherweise sogar als Hauptfördererz abbauten, wobei im letzteren Fall dann nicht mehr Galmei, sondern Eisen- und Bleierze willkommende Nebenprodukte gewesen wären.

Vorstellbar jedoch wäre auch, dass der Hauptfördererztyp im Laufe der Zeit von Eisen- bzw. Blei nach Galmei gewechselt hat. Und genau dieser Wechsel wäre eine durchaus realistische Möglichkeit, wenn man einmal annimmt, dass den Kelten einerseits die Herstellung der frühgeschichtlichen 'HighTech'-Legierung Messing noch nicht bekannt war, sie andererseits jedoch die Blei- Eisenerze unseres Raumes bereits genutzt haben.

Was meint denn Plinius dazu?
Vor diesem Hintergrund könnte man jetzt das Plinius-Zitat etwas näher betrachten. Mit dem von Plinius gewählten lateinischen Ausdruck "repertum" verhält es sich nach Frentz, W. und Holtz, F. (1995) zunächst ganz ähnlich wie mit dem deutschen Begriff "Finden". Es kann ein Finden nach gezielter Suche bedeuten, es kann jedoch auch ein Finden im bergmännischen Sinne von abbauen gemeint sein, wobei auch letztere Möglichkeit sich in der heutigen deutschen Umgangssprache als (vor)finden darstellen lässt; z.B.: "in einer bestimmten Grube werden bestimmte Erze (vor)gefunden". Bei dem lateinischen Begriff "repertum" allerdings scheidet eine Möglichkeit aus, die Möglichkeit nämlich, dass es sich um einen Zufallsfund gehandelt hat. Derartige Zufallsfunde umschreibt Plinius ausdrücklich mit "inventum" bzw. "invenitur", wenn er beispielsweise vom Gold spricht, das man zufällig findet.

"Repertum" kann also eigentlich nur im Sinne von "abbauen" oder im Sinne von "auffinden" verstanden werden. Ein Finden im Sinne von "abbauen" jedoch ist nur dann einsichtig, wenn man einen vor-römischen, keltischen Bergbau auf Eisen- und Bleierz annimmt. In diesem Falle nämlich hätte man in den existierenden, aufgeschlossenen Gruben sofort mit dem Abbau (repertum) von Galmei beginnen können.

Selbst wenn wir das "repertum" als "auffinden" (nach gezielter und bewusster Suche) verstehen wollen, schließt das einen vorangegangenen keltischen Bergbau auf Eisen und Blei überhaupt nicht aus. Denn sicherlich werden die Römer nicht irgendwann einmal gesagt haben: Nun wollen wir mal nach Galmei suchen. Nein, wenn schon "repertum" im Sinne von Auffinden, dann wird man wohl auch systematisch vorgegangen sein. Das mögliche Prinzip dieser Systematik wird sofort klar, wenn wir den Begriff der Paragenese nochmals strapazieren. Das gemeinsame Vorkommen von Zink- und Blei- Erzen ist überhaupt keine regionalspezifische Besonderheit, sondern lässt sich weltweit beobachten. Wenn also die Römer Erfahrungen mit Galmeiabbau hatten (was erwiesen ist), musste ihnen auch dieser Zusammenhang bekannt sein. Damit war also ein wichtiger, wahrscheinlich sogar ein entscheidender Gesichtspunkt zur Auffindung von Galmei vorgegeben. Die weitere Vorgehensweise ergab sich dann von selbst, wenn man einen keltischen Bergbau in unserer Region als wahrscheinlich ansieht. Die Römer brauchten in diesem Fall eigentlich nur dort nachzusehen, wo die Kelten bereits Bleierze abbauten.

Die Möglichkeit, dass die Kelten bereits den Galmei zur Messingherstellung genutzt haben erscheint eher unwahrscheinlich, wenn wir das Plinius-Zitat nochmals näher betrachten. Kürzlich erst, so berichtet Plinius nämlich, sei in Germanien Galmei gefunden worden, womit ein keltischer Abbau implizit ausgeschlossen wird. Aber auch die bereits erwähnte Komplexität der Galmei- bzw. Messingtechnologie spricht dafür, dass Messing erst zur Römerzeit hier hergestellt wurde.

Messing, ein Edelmetall?
Nun aber vielleicht nochmals zurück zu der Wertschätzung, derer sich die Messinglegierung in römischer Zeit erfreute. Hierzu gibt es interessante Untersuchungsergebnisse und Interpretationsansätze aus England, die vom 'Ancient Monuments Laboratory' veröffentlicht wurden (Bayley J. (1990) Seiten 7-21, siehe Quellenverzeichnis). Diese Institution hat einige hundert Broschen römischer Herkunft von den verschiedensten Fundorten untersucht. Wir können uns hier allerdings auf die Fundstelle Colchester im Südosten Englands beschränken, da die allgemeinen Untersuchungsergebnisse der römischen Broschenfunde in England von den Colchester-Funden nahezu idealtypisch abgebildet werden.

Ein wichtiger Teil dieser Untersuchungen bestand in der Analyse der Legierungszusammensetzungen. Bei näherem Hinsehen, und das gilt ganz allgemein für viele Kupferlegierungen, reicht es nicht mehr aus, lediglich zwischen Messing (Kupfer - Zink) und Bronze (Kupfer - Zinn) zu unterscheiden. Neben Zink, Zinn und natürlich dem Kupfer selbst war an den üblichen Kupferlegierungen sehr häufig auch Blei in durchaus signifikanten Mengen beteiligt. Damit nicht genug, sehr oft waren neben dem Grundmetall Kupfer in den Legierungen alle drei Komponenten (Zink, Zinn und Blei) in wechselnden Mengenverhältnissen enthalten. Eine übersichtliche Darstellung der Legierungsverhältnisse lässt sich eigentlich nur noch durch die Verwendung eines Dreiecknetzes erreichen. Hierzu wurde die Summe aller Legierungszuschläge (ohne Berücksichtigung des Kupfergehaltes) auf 100% normiert, wodurch jedes beliebige Verhältnis der Zuschlagskomponenten als Punkt innerhalb des Dreiecksnetzes darstellbar ist. Dabei allerdings geht die Information bezüglich der Kupferanteile verloren, was uns jedoch nicht schrecken sollte, da die Kupferanteile eigentlich immer bei einer Größenordnung von 70% lagen.

Skizze
Skizze: F. Holtz

Wenn wir jetzt wieder zurückkommen zu den erwähnten Colchester Broschen, so lassen sich hinsichtlich Legierungszusammensetzung und Ausführung ganz eindeutig zwei Typen unterscheiden. Es gab zunächst den so genannten A-Typ, der im frühen ersten Jahrhundert gefertigt wurde und den B-Typ, der den anfänglich gebräuchlichen A-Typ im dritten Viertel des gleichen Jahrhunderts nahezu gänzlich ablöste.

Bei dem früher entstandenen A-Typ waren Broschenkörper und Befestigungsnadel (letztere musste aus funktionalen Gründen federharte Eigenschaften aufweisen) aus einem Stück gegossen und bestanden meist aus einer Messinglegierung. Nur einige wenige Exemplare gehen hinsichtlich ihrer Legierungszusammensetzung in Richtung Bronze. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass der A-Typ relativ wenig Blei enthielt, wodurch die federharten Materialeigenschaften der Befestigungsnadel sichergestellt wurden.

Während nun bei dem aus zwei Einzelteilen bestehenden B-Typ die Befestigungsnadel nach wie vor aus einer bleiarmen Messinglegierung bestand, wurde für den Broschenkörper fast ausschließlich eine billigere Legierung mit hohen Bleianteilen verwendet.

Skizze
Skizze: F. Holtz

Unabhängig davon, ob man sich durch die Verwendung einer preiswerteren Legierung zu einer Änderung im Design (zwei separate Teile für Broschenkörper und Nadel) gezwungen sah, oder ob durch die Änderung im Design eine Verwendung billigerer Legierungen ermöglicht wurde, die Römer wussten die unterschiedlichen Legierungen durchaus differenziert und zweckentsprechend einzusetzen.

Letztlich kam man im Zuge dieser Untersuchungen zu einem zunächst überraschenden, meines Erachtens allerdings faszinierenden Schluss. Messing nämlich, so vermutet man, sei für die Herstellung von Broschen viel zu kostbar gewesen. Überhaupt lässt sich beobachten, dass Gegenstände aus Messing ab der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts zunehmend von solchen anderer Kupferlegierungen ersetzt wurden. Die Messinglegierung, so wird gefolgert, scheint als eine Art Edelmetall angesehen worden zu sein und war offenkundig kaum noch verfügbar, da sie wohl Gegenstand staatsmonopolistischer Verwaltung gewesen sei.

Wenn das tatsächlich so oder ähnlich der Fall gewesen sein sollte, wäre eine römische Nutzung unserer Galmeivorkommen zwar immer noch nicht erwiesen, aber es wäre eben immer schwerer vorstellbar, dass die Römer gerade den Galmei verschmäht haben sollten, der zur Herstellung eines kostbaren Edelmetalls Verwendung fand.

Aber da ist auch noch etwas anderes: Auch die uralten Erzählgeschichten um die Sagenstadt Gression mit ihrem unermesslichen Reichtum würden in einem neuen Licht erscheinen, wenn die hier hergestellte Messinglegierung nicht nur wie Gold glänzte, sondern tatsächlich auch als Edelmetall gehandelt worden wäre. Man muss sich das wirklich einmal vorstellen: Der Hemmoorer Eimer, ein (wie der Name schon sagt) eimergroßes Prunkgefäß, das möglicherweise hier bei uns hergestellt worden ist, hätte demzufolge aus einer Legierung bestanden, die nach damaliger Auffassung den Edelmetallen zuzurechnen wäre. Und dann hätten nicht nur die in der Sage anklingenden Bezüge zu einem frühgeschichtlichen Bergbau reale Hintergründe, sondern auch der überlieferte märchenhafte Reichtum. Nun ja, vielleicht ist es tatsächlich so gewesen, denn ein Einzelfall wäre es in der Tat nicht, dass ein Sagenmotiv sehr viel mehr Realität reflektiert, als man zunächst annehmen würde.

Weniger spekulativ allerdings ist ein anderer Aspekt. Gleichgültig ob das Imperium Romanum nun als Schutzmacht oder als Besatzungsmacht anzusehen war, die Zeit des römischen Reiches brachte in Europa und natürlich auch für unsere Region eine langandauernde Epoche stabiler und friedlicher Verhältnisse. Nicht nur dass sich Handel und Wandel bestens entwickeln konnten, nein, auch die nicht- römische Bevölkerung hatte sich größtenteils mit den Römern arrangiert, partizipierten durchaus auch am erwirtschafteten Wohlstand und wussten sicherlich ebenfalls die Vorteile eines wohlgeordneten Staatswesens zu schätzen.

So ist es kaum verwunderlich, dass der Glanz dieser Zeit hinüberstrahlte auf nachfolgende, weniger ruhige Epochen, und dass der tatsächlich vorhandene, oder aber der durch die Überlieferung verklärte und überzeichnete, märchenhafte Reichtum, der mit der Sagenstadt Gression unwiederbringlich untergegangen war, als Erinnerung an bessere Tage in den Erzählgeschichten weiterlebte.

Ob nun Gebrauchsmetall, Wertmetall oder vielleicht sogar Edelmetall, die Messinglegierung war, wie bereits erwähnt, zur Herstellung gegossener Artikel bestens geeignet. Und genau hierauf hatten sich die Römer spezialisiert. Diese Spezialisierung erlaubte eine sehr enge räumliche Anbindung der Produktionsstätten an die Erzvorkommen; eine Anbindung, die sich während späterer Epochen nie wieder in ähnlicher Unmittelbarkeit eingestellt hat. Dies gibt Anlass, sich vielleicht einmal über die Lage der Metallproduktions und -verarbeitungsstätten zu römischer und zu späterer Zeit Gedanken zu machen.

Erze und Energie
Zunächst einmal waren selbstverständlich zu allen Zeiten die heimischen Erzlagerstätten Grundlage für die regionale Buntmetallerzeugung und -verarbeitung. Dies lässt sich mit Fug und Recht sogar für die jüngere Vergangenheit und ebenfalls auch noch für die Gegenwart behaupten, obschon die lokalen Erzvorkommen zur Neige gegangen und seit nunmehr über 70 Jahren nicht mehr verfügbar sind. Die Wurzeln der heute hier ansässigen Metallindustrie reichen zweifelsohne weit zurück in die Zeit des hiesigen Erzabbaus, und der auch heute noch erfolgreiche Zweig der Metallverarbeitung muss wohl als Fortführung eben dieser Tradition angesehen werden. Die konkrete Standortwahl innerhalb unserer erzführenden Region, die genaue lokalgeographische Fixierung der Standorte innerhalb des regional vorgegebenen Rahmens also, ist nun allerdings fast ausschließlich und zu allen Zeiten bestimmt gewesen von den jeweils vorliegenden Energiebedürfnissen.

Skizze
Skizze: F. Holtz

Die von den Römern überwiegend angewandte Metallgießtechnik benötigte als Energiequelle lediglich Klafterholz zum Beheizen der Öfen und als Zuschlagstoff Holzkohle (Reduktionsmittel bei der Zementierung). Von der Holzkohle nun wiederum wissen wir, dass zu deren Herstellung Buchenholz am allerbesten geeignet war. Buchenholz also werden auch die Römer zur Gewinnung der Holzkohle vorzugsweise verwendet haben, und hier müsste uns eigentlich sofort wieder der Kalkbuchenwald einfallen, der sich überall in unmittelbarer Nähe der Erzlagerstätten erstreckte. Auch in diesem Zusammenhang sollte uns nochmals wieder klar werden, wie außerordentlich vielfältig der Einfluss unserer buchenwaldtragenden Kalksteinzüge gewesen ist.

Zu römischer Zeit konnten also die gewonnenen Erze und Metalle in unmittelbarer Nähe der Schürfgebiete auch verarbeitet werden und es bestand keinerlei Veranlassung, die erzführenden, verkehrsfreundlichen Kalksteinzüge zu verlassen. Schürfstellen, Produktionsstätten, Siedlungsstätten und Verkehrswege bildeten somit eine Einheit, ganz im Gegensatz zu späteren Epochen.

Für die Produktionspalette der Kupfermeister beispielsweise waren gehämmerte und ausgetriebene Messingwaren kennzeichnend, zu deren Herstellung mechanische Energie benötigt wurde. Und diese wiederum ließ sich in ausreichender Menge eigentlich nur durch die Wasserkraft der Bäche gewinnen und konnte auch nicht über nennenswerte Entfernungen übertragen werden.

Zwar kannte man Feldgestänge (auch Feldkünste oder Stangenkünste genannt), jedoch wurden diese wegen der zwangsläufig auftretenden, hohen Energieverluste ausschließlich in den Bergbauregionen eingesetzt, wo die Sachzwänge der Geländebeschaffenheit und der Lagerstättenverhältnisse einen Transport (Übertragung) der Energie zum Abbauort erforderlich machten. In den Stolberger Erzfeldern allerdings konnte der nahe an der Oberfläche lagernde Galmei ohne großen Aufwand an mechanischer Energie abgebaut werden.

Bild
Kupferstich von Wichmann J.
in Löhneyß G.E.(1690):
Feld- oder Stangenkunst

Es war also überhaupt keine Frage, die Kupfermeister siedelten natürlich, ganz im Gegensatz zu den Römern, nicht mehr direkt an den Schürfstellen, sondern entlang der Bachläufe, wo das benötigte Antriebswasser direkt zur Verfügung stand. Der Galmei wiederum ließ sich recht einfach transportieren, sehr viel besser jedenfalls als die mechanische Antriebsenergie.

Im Zuge der weiteren Industrialisierung und mit der Verfügbarkeit von Dampfmaschinen wechselte der Hauptenergieträger erneut und damit auch der bevorzugte Standort. Die Kohle wurde zunehmend zum Primärenergieträger und die Industriestandorte (auch die der Metallindustrie) orientierten sich an die Kohlevorkommen von Münsterbusch, Atsch, Birkengang (Eschweiler Kohlberg). Zur Zeit der Frühindustrialisierung entstanden hier Zinkhütten, Glashütten und Betriebe der Großchemie.

Weiter

Startseite Graphiken Kaleidoskop Touristisches