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Grundstoff für das Messinggewerbe

Galmeiabbau

Entstehung des Galmeis

Galmei heute und gesten

 

 

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Galmei,
ein (fast) vergessenes Wirtschaftsgut.

Friedrich Holtz
 

Galmei war ein für die Entwicklung des Stolberger Raumes äußerst wichtiges Zinkerz und wurde in früherer Zeit im Bereich der lokalen Erzfelder als Massengut abgebaut. Heute lässt sich nur noch sehr selten und nur mit viel Glück ein Galmeibrocken finden, den man als typisches Stück Fördererz bezeichnen könnte. Die Galmeischürfer haben in längst vergangenen Tagen ganze Arbeit geleistet, haben alles Verwertbare sehr sorgfältig und sehr mühsam ausgeklaubt.

 

Grundstoff für das Messinggewerbe der Kupfermeister

BildDie Bedeutung des Galmeis bestand darin, dass man mit Hilfe dieses speziellen Zinkerztypes Messing herstellen konnte. Galmei war also der Stoff, aus dem einst Messing wurde. Eigentlich sogar müsste man sagen, dass Galmei der einzige Stoff war, aus dem man zur damaligen Zeit (bis nach 1800) Messing herstellen konnte. Und dieses Messing wurde in Stolberg von den sogenannten Kupfermeistern im 17. und 18. Jahrhundert in großen Mengen produziert. Der Begriff Kupfermeister, der für die damaligen Messingproduzenten üblich war, sollte uns hierbei nicht irritieren, denn wenn man in Stolberg von Kupfer spricht, ist in den meisten Fällen Messing gemeint (siehe auch: Kupfer in lokalhistorischem Kontext).

Aus der Literatur sind uns einige Produktionszahlen bekannt, mit deren Hilfe sich die Gesamtmessingmenge abschätzen lässt, die zwischen 1640 und 1780 in Stolberg hergestellt wurde.

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Aus diesen Produktionsdaten ergibt sich für den angegebenen Zeitraum die durchaus erstaunliche Produktionsmenge von etwa 250.000 Tonnen Messing. Da Messing aus ungefähr 70% Kupfer besteht, waren zur Herstellung dieses Messings etwa 175.000 Tonnen Kupfer erforderlich. Wie aus der Literatur und auch aus kürzlich durchgeführten Experimenten bekannt, musste bei dem damals üblichen Verfahren der Messingherstellung in Relation zum Kupfer ca. die doppelte Gewichtsmenge Galmei eingesetzt werden. Somit waren etwa 350.000 Tonnen Galmei erforderlich, die ganz überwiegend in den lokalen Erzfeldern abgebaut wurden, wobei die Stolberger Kupfermeister z.T. auch Galmei vom Altenberg (heutiges Ostbelgien) verwendeten.

Andererseits begann der Galmeiabbau in den hiesigen Erzfeldern lange vor dem oben betrachteten Zeitraum, nämlich spätestens dann, als sich das Messinggewerbe nach 1466 von Dinant nach Aachen verlagerte und die Aachener Kupfermeister ihren Galmei auch aus Stolberg bezogen.

Noch bevor die Kupfermeister von Aachen nach Stolberg kamen, entstand im heutigen Unterstolberg beispielsweise die Jan Ravens Mühle, die in der Walschaple-Karte von 1544 dargestellt ist. Da diese Anlage in der Literatur als Galmeimühle ausgewiesen ist, müssen mit dem hier  gemahlenen Galmei zunächst die Aachener Kupfermeister beliefert worden sein.

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Jan Ravens Mühle, Aquarell nach Walschaple von G. Dodt

Mit anderen Worten: In der oben angeführten Mengenbetrachtung ist die vorangehende Abbauepoche von mindestens 175 Jahren nicht berücksichtigt. Außerdem wurden bereits zur Römerzeit (1. bis 4. Jh.) in den hiesigen Erzfeldern beträchtliche Mengen Galmei abgebaut. Somit dürfte die Gesamtmenge des in der Stolberger Region zu vorindustrieller Zeit eingewonnenen Galmeis in einer Größenordnung von deutlich oberhalb der oben erwähnten 375.000 Tonnen, vielleicht bei 400.000 bis 500.000 Tonnen gelegen haben.

 

Galmeiabbau
Galmei hat sich durch Umwandlung (Metesomatose) der Zinkblende im oberflächennahen Bereich bis zu einer Teufe von 80 bis 100 Metern gebildet. Bei besagter Zinkblende handelt es sich um das ursprünglich entstandene, in größeren Teufen unverändert erhalten gebliebene Primärerz, welches im 19. und 20. Jahrhundert ebenfalls abgebaut und genutzt wurde.

Der an bzw. kurz unterhalb der Tagesoberfläche anstehende Galmei wurde entweder im Tagebau (Pingen) oder durch Anlegen sehr einfach ausgeführter Schächte von nur geringer Teufe abgebaut.

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Unabhängig davon, ob man den Galmei im Tagebau oder mittels Schächten im Tiefbau förderte, man erreichte in vorindustrieller Zeit Teufen von höchstens 40, in sehr trockenen Sommern vielleicht auch von bis zu 45 oder 50 Metern. Die mit zunehmender Teufe verstärkt zufließenden Grubenwässser ließen sich mit den damaligen technischen Möglichkeiten nicht beherrschen und limitierten somit die mögliche Abbauteufe.

In diesem Zusammenhang dürfte ein weiterer Mengenvergleich von Interesse sein. Die Erzgrube Diepenlinchen, das mit Abstand größte und ergiebigste Erzbergwerk der Region  (gelegen zwischen Mausbach, Gressenich, Werth und dem Vichttal), lieferte mit einer Vielzahl von Betriebspunkte und Schächten während der großtechnisch betriebenen Abbauphase etwa 500.000 Tonnen Erzkonzentrat. Diese Erzkonzentrate bestanden nun allerdings nicht aus Galmei, sondern fast ausschließlich aus den Primärerzen Zinkblende und Bleiglanz, wobei die Zinkblende den weitaus größten Teil des Fördergutes darstellte.

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Entwicklung der Grube Diepenlinchen

In der Großgrube Diepenlinchen wurde also in wenigen Jahrzehnten eine Zinkerzmenge abgebaut, die der gesamten, vorindustriellen Galmeiförderung entsprach, obschon sich die vorindustrielle Förderung erstens über mehrere Jahrhunderte und zweitens über eine Vielzahl von Einzelgruben erstreckte. Angesichts der technischen Umwälzungen, die im 19. Jahrhundert u.a. durch den Einsatz von Dampfmaschinen auch den Bergbau revolutionierte (dampfbetriebene Wasserhaltungs- und Fördermaschinen), scheinen die in jener Zeit erzielten Förderraten zunächst durchaus plausibel.

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Erzgrube Diepenlinchen, Ölgemälde von Franz Hüllenkremer

Berücksichtigt man den Umstand, dass in der Grube Diepenlinchen eine Teufe von fast 400 Metern erreicht wurde, kann man sich andererseits nur wundern, dass bei den limitierten Abbauteufen der vorindustriellen Zeit die gewaltige Menge von 400.000 bis 500.000 Tonnen Galmei überhaupt gefunden werden konnte. Der erstaunliche Erfolg der frühen Galmeischürfer lässt sich dadurch erklären, dass unsere Erzlagerstätten an bzw. kurz unterhalb der Tagesoberfläche häufig sehr viel reicher und ergiebiger waren als in größeren Teufen.

Dieses Phänomen wurde im 19. Jahrhundert deutlich und schmerzhaft erkennbar, als in äußerst ergiebigen Erzfeldern Schächte abgeteuft wurden, um weitere Erzmittel zu erschließen. In vielen Fällen (z.B. Brockenberg, Büsbacherberg, Herrenberg) stellte sich heraus, dass die Lagerstätte bereits kurz unterhalb des aktuellen Abbauhorizontes stark verarmte und der Grubenausbau als Fehlinvestition betrachtet werden musste.

 

Entstehung des Galmeis
Bei der erwähnten Metasomatose, die durch den in den Sickerwässern enthaltenen freien Sauerstoff eine Umbildung der Zinkblende in Galmei bewirkte, handelte es sich (vereinfacht ausgedrückt) um eine Art Verwitterungsvorgang. Natürlich war nicht nur der Galmei, sondern auch auch das erzführende Kalksteingebirge an seiner Oberfläche über Jahrmillionen den Einflüssen von Verwitterung und Erosion ausgesetzt.

Im Laufe der fast unvorstellbar langen Zeiträume sind in unserer Gegend einige hundert Meter Gesteinsmaterial abgetragen worden. Hierdurch ergab sich eine langsame, aber stetig fortschreitende Absenkung der Bodenhorizonte. Auch die erwähnte Umbildung von Zinkblende nach Galmei konnte somit in immer größere Tiefen vordringen.

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Stolberger Galmei, Sammlung und Foto: F. Holtz, H. Wotruba

Selbstverständlich waren die Oberflächen des Kalksteingebirges und die dort freigelegten Erzgänge den gleichen Erosionsmechanismen unterworfen. Allerdings war der Galmei erstens deutlich härter und zweitens chemisch sehr viel stabiler als der Kalkstein. Die im Oberflächenwasser enthaltene Kohlensäure konnte also den Kalkstein sehr viel schneller an- bzw. auflösen als dies beim Galmei der Fall war. Sowohl die mechanische als auch die chemische Verwitterung zersetzte und erodierte also vorzugsweise den Kalkstein. Hierdurch kam es an der Oberfläche zu einer relativen Anreicherung des Galmeis.

Eingebettet in und vermischt mit jüngerem Verwitterungsschutt bildete der als selektives Erosionsrelikt verbliebene Galmei durch Akkumulation oberflächennahe und reiche Erzlagerstätten, die mit einfachen Mitteln abgebaut werden konnten. Bei entsprechender Geländemorphologie konnten sich Muldenfüllungen ausbilden, die hauptsächlich aus besagtem Verwitterungsschutt mit dem darin enthaltenen Galmei bestanden. In diesen Bereichen war ein großflächiger Abbau von durch Lehm verfestigtes Lockermaterial möglich, wobei der Galmei eigentlich nur noch ausgeklaubt werden musste.

Auf diese Weise entstand in Büsbach z.B. eine Großpinge mit einer Flächenausdehnung von 200 mal 80 und einer Teufe von etwa 40 Metern. Besagte Pinge befand sich im Bereich der heutigen Bischofstraße. Der Name der kleinen, oberhalb der Schule in Richtung Galmeistraße abzweigenden Gasse „In der Dell“ bezieht sich entweder direkt auf die ehemalige Pinge oder auf die vom damaligen Tagebau verursachte und heute noch zu erkennende, muldenartige Geländeform.

Eine weitere Großpinge wurde im Bereich des Herrenberges (zwischen Nirm und Verlautenheide) angelegt. Nach Aufgabe der Grube ist diese Pinge ersoffen und wurde von der Bevölkerung „die Maar“ genannt. Über lange Zeit wurde dieses Bergbaurelikt als Freibad und Kahnweiher genutzt. Heute ist die Maar Teil einer privaten Gartenanlage und nicht mehr öffentlich zugänglich.

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Die Maar in den 1950er Jahren, Quelle: Privatarchiv H. Beckers.

In anderen Bereichen traten die ursprünglichen, mittlerweile aber metasomatisch umgebildeten Erzgänge an der Tagesoberfläche aus. Hier wurden üblicherweise längliche Pingenzüge angelegt, deren Verlauf den Erzgängen folgte. Zur Eingewinnung von tiefer liegenden Erzmitteln teufte man bei entsprechender Höffigkeit Schächte ab, die in Richtung der anstehenden Erze aufgeweitet wurden. Wenn der Grubenbau zu verstürzen drohte, gab man den Schacht auf und legte entsprechend des vermutlichen Verlaufs des Erzganges einen neuen Schacht an. Diese Abbaumethode ist insbesondere im Restfeld des Brockenberges (heutiges Naturschutzgebiet) noch deutlich zu erkennen. Das Gelände ist überprägt von einer Vielzahl eingestürzter Schächte, deren Anordnung und Ausrichtung an die sprichwörtliche Perlenschnur erinnern.

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Teil eines Pingenzuges, Foto: R. Ethen

Als Sonderfall kann die Galmeigrube Kirchfeld-Heidchen in Eilendorf gelten, wo noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im klassischen Stollenbau gefördert wurde. Die Lagerstätte war durch zahlreiche Schächte und drei Förderstrecken erschlossen. Die unterste Förder-Sohle lag bei einer Teufe von nur 20 Metern.

 

Galmei heute und gesten
Wie eingangs bereits erwähnt, ist Galmei auf den ehemaligen Erzfeldern in und um Stolberg heute kaum noch zu finden. Angesichts der gewaltigen Mengen, die man in früherer Zeit hier abgebaut hat, muss das zunächst verwundern.

Da Galmei ein recht unauffälliges, kaum spektakuläres Mineral ist und überdies in unterschiedlichsten, wenig spezifischen Ausprägungen vorkommt, könnte man vielleicht zunächst vermuten, dass der verbliebene Galmei im Gelände nicht erkannt, also schlicht und einfach übersehen wird.

Stolberger Galmei in unterschiedlicher Ausprägung
(bitte anklicken)

Der Umstand, dass Galmei als heimatkundlicher Begriff zwar durchaus geläufig ist, seine Erscheinungsformen jedoch weitgehend unbekannt sind, wurde von der früheren Mundartdichterin Marianne Custer vor einigen Jahren in humoristischer Weise, aber sehr treffend wie folgt beschrieben:

Dä klenge Knubbel uss Jalmei
sooch uus, als wie en eefach Kei.
Datt mer dat ze seh ens kritt,
nu weeß ich, wie Jalmei uussitt !

Aber auch einem geschulten Auge gelingt es nur in ganz seltenen Fällen, im heutigen Gelände Galmei zu entdecken, weil von der ehemals unermesslichen Fülle in der Tat so gut wie nichts übrig geblieben ist. In den industriell betriebenen Großgruben wie Diepenlinchen oder Breinigerberg wurden im 19. Jahrhundert sehr rasch Abbauteufen erreicht, wo nur noch Primärerz und eben kein Galmei mehr gefördert werden konnte. In den aus jener Zeit verbliebenen Bergehalden lässt sich somit nahezu ausschließlich die sogenannte Schalenblende finden, die aus Zinkblende, Bleiglanz und Markasit besteht.

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Schalenblende, Sammlung u. Foto: F. Holtz

Aber auch in den Abbaugebieten der vorindustriellen Zeit hat man bezüglich des Auffindens von Galmei kaum eine Chance. Und dies wiederum hat vielsagende und letztlich auch plausible Gründe. Das Galmeischürfen nämlich war ein wenig einträgliches Geschäft. Häufig wurde der Galmeiabbau von Kleinbauern im Nebenerwerb betrieben. Ein „dicker“, vermögender Bauer wäre nie auf den Gedanken gekommen, seine Zeit im Kleinbergbau zu vertun.

Die bittere Armut der früher hier tätigen Galmeischürfer führte dazu, dass jedes, aber auch wirklich jedes Stückchen Galmei, das sich zum Verkauf eignete, ausgeklaubt wurde. Auch kleinste Stückchen konnten verwertet werden und erhöhten den kargen Verkaufserlös, da der Galmei vor dem Einsatz im Messingtiegel ohnehin gemahlen werden musste.

Man kann sich gut vorstellen, wie ganze Familien mitsamt Frauen, Kindern und Oma, auf den Knien liegend, den Abraum durchwühlt haben, der vorher von den „Kelmesgrävern“ mit einfachsten Mitteln und unter unsäglichen Mühen dem Berg abgerungen worden war.

Der Modeschriftsteller Karl Ludwig Freiherr von Pöllnitz beschrieb in seinem damaligen „Bestseller“, der 1734 unter dem Titel „Zeit-Vertreib by den Wassern zu Achen“ erschien, u.a. die Verhältnisse in den hiesigen Galmeigruben:

„Der Ort gleichet einer Wüsteney gar sehr: es ist eine dürre Gegend von trockenem Erdreiche, und das Graß ist sowohl durch die Schärffe derer Mineralien, als durch die Berg-artigen Dünste, welche ausdampfen, fast geborsten. Um die Gegend besagter Grube sind nur etliche schlechte Hütten, die denen Unglückseeligen, so diesen Metallischen Stein aus dem innersten der Erde langen, des Nachts zum Auffenthalte dienen.

Die Mühe, Gefahr und Beschwerlichkeit, welche diejenigen, so man in diesen Gruben gebraucht, ausstehen müssen, erregte bey uns so viel Mitleiden, daß wir uns nicht enthalten konnten, unsere Betrachtungen über ihren harten Zustand, welchen des Lebens Nothdurfft bey denen Unglückseeligen, so von Armut dazu verurtheilet werden, allein zu lindern vermögend ist, anzustellen.“

Trotz aller Anstrengung, Arbeit und Mühe reichte der Verkaufserlös des mühsam geförderten und ausgeklaubten Galmeis kaum für das Nötigste. Die Arbeit und der von den „Kelmesgrävern“ geschürfte Galmei ermöglichte allerdings das höchst einträgliche und lukrative Messinggewerbe der Kupfermeister, die im Stolberger Tal extrem reich und wohlhabend geworden sind.

Die gegenwärtig viel diskutierte Schere, die sich zwischen Armen und Reichen öffnet, hat es in der „guten, alten Zeit“ also auch schon gegeben. Dies mag vielleicht als kleiner Trost empfunden werden, kann andererseits jedoch kaum (nach dem Motto: war schon immer so) als Rechtfertigung für diesen Umstand gelten.


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